Bindungsorientierung


BINDUNGSORIENTIERUNG

Bindung ist für Säugetiere - und so für uns Menschen - wie das Wasser für den Fisch; ohne sie kann ein Kind nicht überleben. Diese existenzielle Abhängigkeit von einer sogenannten „äußeren Struktur“ gilt nicht nur für die Baby- und Kleinkindzeit, sondern für die gesamte Entwicklungszeit von Kindheit bis ins junge Erwachsenenalter. Zwar ist es uns möglich, mit zunehmendem Alter zu überleben, doch werden wir in so einem Überlebensmodus nie unser kreatives Potential als Menschen erreichen, das eigentlich in uns angelegt ist.

Was meinen wir mit Abhängigkeit von einer äußeren Struktur?

Die biologischen Kernbedürfnisse eines Kindes, insbesondere während der ersten 6-7 Lebensjahre, können nur durch Eltern und nahe Bindungspersonen gesehen und beantwortet werden. Weder ist das Kind in der Lage, sie selbst zu identifizieren, noch kann es sie selber beantworten. Sein Selbstgefühl, wie es sich, seine Bedürfnisse, seinen Willen und wie es das Leben wahrnimmt, bildet sich durch diese vielen, täglichen Erfahrungen mit seinen nahen Bindungspersonen aus.

Wenn wir offen sind, genau zu schauen, zeigen uns Kinder, wenn wir ihre Kernbedürfnisse nicht sehen, wie beispielsweise das Kernbedürfnis nach Kontakt oder Autonomie. Sie bringen eine unglaubliche Resilienz und Kraft mit. Sie protestieren und werden zum Beispiel wütend, fordern es vehement ein, dass wir sie wirklich sehen. Wenn wir diese Wut dann nicht als etwas gegen uns verstehen, das es einzudämmen gilt, sondern als Information, dass etwas nicht in Ordnung ist, manchmal aber auch als Ausdruck dieser existenziellen Abhängigkeit nach uns als ihrer externen Struktur, sind wir in der Lage, darauf zu antworten. Dann können wir hinter ihr Verhalten blicken und erkennen, um was es eigentlich wirklich geht.

Dieser Vorgang braucht unsere Fähigkeit nach Einstimmung, unsere Offenheit, tagtäglich in den Begegnungen neugierig zu lernen und unsere Bereitschaft, die Rückmeldungen des Kindes ernst zu nehmen und uns selbst und unsere Entscheidungen zu justieren.

Als Bindungspersonen haben wir also die Funktion, die Kinder eingestimmt zu sehen, was auch bedeutet, dass wir ihr Nervensystem co-regulieren. Wenn Kinder Stress haben, sich ängstigen oder emotionale Erfahrungen machen, die sie nicht einordnen können, brauchen sie den lebenswichtigen Kontakt, der für sie Sicherheit bedeutet. Kindern fehlt die basale Kapazität, sich selber zu regulieren. Unser Dasein, der Körperkontakt und die Geborgenheit ermöglichen dem Kind, sich wieder zu entspannen und aus dem Überlebensmodus in den Bindungsmodus zu finden.

Werden Kinder in ihrer existentiellen Abhängigkeit fürsorglich und eingestimmt gesehen, entwickeln sie sich in unser wahres, menschliches Potential hinein; unsere Feinfühligkeit und unser offenes und weiches Herz. Sind Kinder angespannt und freudlos, antriebslos oder ständig fordernd, cool und suchen bei Stress nicht Trost und Sicherheit, sondern sind abweisend, dann zeigen sie, dass etwas aus dem Lot gekommen ist und sie etwas anderes von uns brauchen.

Kinder und junge Menschen erfahren unsere Bindung gefühlt als Wärme und Geborgenheit, die einfach zu ihnen hinfliesst, ohne dass sie etwas dafür tun müssen. In dieser Wärme und Geborgenheit ruhen und spielen sie entspannt in ihrem Sein und entwickeln begeisterte Tatenkraft.

Einzig Bindung autorisiert uns, den Kindern gegenüber Führung zu übernehmen und ihnen Orientierung zu geben. Ohne Bindung sind wir nicht befugt. Viele Probleme mit Kindern finden ihren Ursprung in der Bindung. Sie von Beginn ihres Lebens an als eigenständige Wesen wahrzunehmen und zu respektieren bedeutet, ihnen neugierig als „absurde, andere Universen“ zu begegnen. Dieser tiefe Respekt stellt das Gegenteil dar von der oftmals gelebten Praxis, Kinder als die Verlängerung unseres Selbst, unserer Wünsche oder als unsere Projektionen zu sehen.

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